Wieder wurde der kommerzielle Betrieb des ersten Blocks des AKW Kudankulam verschoben – diesmal um gleich zwei Monate auf April 2014. Im letzten Jahr waren Verschiebungen auf den jeweils nächsten Monat üblich.
Bild 1: NPCIL am 18.2.2014
Laut IAEA-Statistik ist das AKW Kudankulam 1 (kurz: KKNPP 1) seit 22.Oktober 2013 in Betrieb.
Betrieb ist nicht gleich Betrieb
Um in der IAEA-Datenbank als “in Betrieb” (“operational”) aufgenommen zu werden, genügt es nur für kurze Zeit Strom in ein öffentliches Netz einzuspeisen. Am 22.Oktober 2013 lieferte Kudankulam 1 für genau eine Stunde und neunundvierzig Minuten Strom. Für die IAEA-Statistik reicht das. Für den kommerziellen Betrieb dagegen bedarf es einer minimalen Stabilität und Vorhersehbarkeit. Diese konnte Kudankulam 1 bislang nicht nachweisen. Das AKW musste seit “Betriebs”-Beginn achtmal vom Netz. Bis zu seiner Nennkapazität von 1000 MW konnte es noch nie hochgefahren werden.
Die Betreibergesellschaft NPCIL veröffentlicht die Verschiebungen des kommerziellen Betriebs ohne Erklärungen. Stereotyp erklären die sie, es gäbe keine Probleme, alles liefe nach Plan.
“Wir sagen nicht, dass Sie glauben müssen, was wir sagen …”
Die Analyse der NPCIL Veröffentlichungen zeigt dagegen, dass von einem geplanten ingenieurmäßigen Vorgehen beim Bau des AKW nicht die Rede sein kann.
Bild2 zeigt alle nachweisbaren Terminverschiebungen des ersten Blocks. Die erste Verschiebung vom Dezember 2007 auf den Dezember 2008 betrug ein Jahr. Eine größere Verschiebung gab es noch 2009, dann wurden die Verschiebungen immer kurzfristiger, bis sich schließlich der Ein-bis Zwei-Monats-Rhythmus eingependelt hat. Der Plan heißt jetzt, „nächsten oder übernächsten Monat sind wir fertig” – und dieser Plan scheitert regelmäßig.
Auch für das Hochfahren des Reaktors, den Anschluss ans Netz oder die Dauer von Ausfällen nennen die AKW-Betreiber regelmäßig falsche Zeiten. Der Leiter des AKW Kudankulam verteidigte sich in einem Interview im Mai 2013 mit folgenden Worten: “Wir sagen nicht, dass Sie glauben müssen, was wir sagen. Wir müssen es beweisen und das werden wir.” Auch das müssen wir nicht glauben.
Zu 99 Prozent fertig gebaut – und das schon seit Jahren
Die NPCIL teilt uns auf ihrer Webseite auch den physischen Fortschritt des AKW-Baus mit. Grafisch dargestellt (Bild3) gleicht der Fortschritt des AKW Kudankulam 1 einer Asymptote, die die 100-Prozent-Linie erst in der Unendlichkeit schneidet. Die Bauleistung nimmt mit zunehmendem Fertigungsgrad ab. Seit bald drei Jahren ist der erste Block zu über 99 Prozent fertiggestellt. Warum geht es nicht voran? Welche unvorhergesehenen Schwierigkeiten traten auf? Was muss noch gebaut werden? Was hat die Kennziffer “physische Fortschritt” mit der realen Fertigstellung zu tun? Vermutlich sehr wenig. Es scheint sich um eine Fantasiezahl für die Öffentlichkeit zu handeln. Einerseits soll Fortschritt suggeriert werden, andererseits kann das AKW noch nicht ganz fertig gebaut sein – denn dann müsste es ja auch Strom liefern. Irgendwie reflektiert die Kennziffer “Baufortschritt” aber doch die Wirklichkeit. Dies zeigt eine weitere Detailanalyse.
“Der Bau von Kudankulam-1 war bereits im März 2011 vollendet.” – aber die Opposition verhinderte den Betrieb.
Bild4 zeigt den Baufortschritt seit Mitte 2011. Dabei zeigen sich zwei Stagnationsphasen. Die erste Stagnationsperiode (grüne markiert) von Oktober 2011 bis März 2012 ist tatsächlich dem massiven Widerstand der Bevölkerung zu verdanken. Mit Hungerstreiks und Straßenblockaden hatten die Menschen vor Ort einen vorübergehenden Baustopp erkämpft. Seit März 2012 sichert starke Polizeipräsenz den Bau des AKW.
Im Dezember 2012 kam es wieder zum Bau-Stillstand und dann sogar zur Reduzierung des Fertigstellungsgrades. Erst im Juli 2013 konnte wieder der Stand vom Dezember 2012 erreicht werden. Das deutet auf gravierende Probleme hin. Dennoch wurde auch in dieser Periode mehrfach der Produktionsbeginn für den Folgemonat angekündigt.
Die Atom-Lobby behauptet dagegen:
“Der Bau von Kudankulam-1 war bereits im März 2011 vollendet. Kurz nach dem Reaktorunfall in Fukushima-Daiichi bildete sich eine starke Opposition und verzögerte die Inbetriebnahme der Einheit.” (Nuklearforum Schweiz)
Die Verzögerungen bei der Inbetriebnahme des AKW Kudankulam haben ihre Ursache in bekannten Mängeln. Auf diesem Blog wurde auch schon über bisherige Ausfälle des AKW, vergangene Betriebsverschiebungen und Hintergründe dazu berichtet.
Hier die Rohdaten (NPCIL_Data.pdf) , aus denen die Grafiken erzeugt wurden.